Zu bestimmten historischen Momenten haben wir uns immer wieder aufgefordert gefühlt, Stellung zu beziehen, mit Theater dicht an die Tagesaktualität heranzugehen und einen anderen, persönlicheren Blick auf das zu werfen, was uns in Fernsehen, Radio, Zeitungen begegnet. So ein Moment war unzweifelhaft der 11.September 2001und seitdem ist es so geblieben. Zur Uraufführung von „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“ haben wir einen Spielplan zum Thema „Kampf der Kulturen?“ zusammengestellt: Bei allen Veranstaltungen geht es um die Frage, wie die verschiedenen Kulturen miteinander klar kommen, wie mit Grenzüberschreitungen umgegangen wird. Dass die Welt und die Begegnung verschiedener Kulturen kein multikulturelles Stadtteilfest ist, dürfte sich herumgesprochen haben, und trotzdem kommen wir uns näher, manchmal näher, als uns vielleicht lieb ist. Denn das Fremde am Fremden ist ja, dass es fremd ist, und wir treffen uns als Starke und Schwache– Opfer und Täter, wir haben eine Geschichte miteinander und gegeneinander und die spielt immer mit, ob wir wollen oder nicht.
Ein Essai = frz.: Versuch
Wie kommt man dazu? Wieso ist weder das eigene Leben noch das der anderen etwas wert? Und wie können wir – die anderen – der Westen – darauf antworten? Kampf dem Terror? Krieg dem Terror? Wie bekämpft man jemanden, der nichts zu verlieren hat? Und welche Rolle spielen die Medien? Selten wurde ein Bild so ins kollektive Gedächtnis eingebrannt wie die einstürzenden Türme. Ein Krieg der Bilder? Seit dem 11.9. 2001 leben wir mit dem Wissen um die Möglichkeit ständig neuer Anschläge, ob zu Hause oder in den Ferien, in London oder Sharm El Sheikh. Aber wie leben wir damit, was ist da angemessen: Verdrängung oder Panik, militante Gegenwehr oder ein Bemühen um Verständnis, fassungslos, entsetzt, zynisch, wehrhaft, verstört, abgestumpft? Und wie kann das Theater darauf reagieren, welche Form ist angemessen? Wir haben viel gelesen, gesehen, sind in die palästinensischen Gebiete gefahren und haben die Familien von Märtyrern, Kämpfer der Al-Aqsa Brigaden, Täter wie Opfer, getroffen… und nun versuchen wir es, versuchen, eine Haltung zu finden.
Regie: Elisabeth Bohde
Es spielen: Elisabeth Bohde, Uwe Schade, Torsten Schütte, Johanna Stapelfeldt
Premiere: November 2005